Infinite Jest | Invading Pleasures (Nikola Lutz & Mark Lorenz Kysela)

 

Infinite Jest | Invading Pleasures (Nikola Lutz & Mark Lorenz Kysela)
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Gruen 156 | Audio CD > [Bestellung]
Reviews

 

Mark Lorenz Kysela und Nikola Lutz haben sich dem konsequenten Experimentieren mit Saxofonen und Elektronik verschrieben. „Gibt es etwas, was man aus einem Saxofon nicht hervorbringen kann?“ Diese Frage lässt ihnen keine Ruhe und täglich entdecken sie Neues: Leises und Lautes, Helles und Hartes, Weiches und Waberndes, Grünes und Grunzendes, Schräges und Stummes, Kurzes und Knackiges. Lutz und Kysela spielen auf mehreren Saxofonen gleichzeitig, erweitern ihre Instrumente mit mechanischen und elektronischen Fortsätzen und erweisen sich als improvisatorischen wie kompositorischen Formen gleichermaßen zugetan. 

Sie sind Pioniere an der Grenze des ästhetisch Fassbaren und definieren den State of the Art des zeitgenössischen Saxofonspiels kurzerhand neu, sollte dies z.B. für eine 16tel-tönige Komposition für Saxofone nötig werden. Mit nicht zu bändigendem Willen zur rückhaltlosen Aufklärung jedes Anfangsverdachtes einer möglichen Klanghinterziehung fordern sie ihre Hörer zu gleichermaßen vorbehaltloser Teilnahme am akustischen Prozess heraus.
Infinite Jest, das Debut-Album von Invading Pleasures, zeigt eine Auswahl postmoderner Klang- und Musizierkonzepte und dürfte für jeden Liebhaber herber Klangsinnlichkeit ein exquisiter Leckerbissen sein.

 

Trackliste

 

1 – Uwe Rasch – aus vierundzwanzig: vierundzwanzig (2008) 6’19’’
MP3

 

2 – Nikola Lutz – Graphic Sound VI (2015) 21’55’’
MP3

 

3 – Uwe Rasch – aus vierundzwanzig: zwölf/einundzwanzig (2014) 14’40’’
MP3

 

4 – Malte Giesen – mit Verlaub (2013) 11’38’’
MP3

 

5 – Remmy Canedo – Criminal Immensity (2013) 09’43’’
MP3

 

6 – Joseph Michaels – Assembly Line (2013) 07’19’’
MP3

 

6 Tracks (70′14″)
CD (500 copies)

 

Nikola Lutz: Sopran-, Alt-, Basssaxofon, Tárogató, Klangobjekte, Stimme, Elektronik
Mark Lorenz Kysela: Sopran-, Alt-, Tenorsaxofon, Kontrabassklarinette, Klangobjekte, Elektronik
Malte Giesen Live-Elektronik in Nr 4
Remmy Canedo Live-Elektronik in Nr 5
Alle außer Nr 5: geschrieben für Invading Pleasures

 

Aufgenommen am 19.-22. Januar 2015 im Deutschlandfunk Kammermusiksaal
Produzent: Frank Kämpfer
Tonmeister: Robert F. Schneider
Toningenieure: Hendrik Manook, Eva Pöpplein
℗ & © 2015 Deutschlandradio / Gruenrekorder
eine Co-Produktion mit dem Deutschlandfunk

 


 

aus vierundzwanzig: vierundzwanzig
aus vierundzwanzig: zwölf/einundzwanzig – Uwe Rasch

Seit einigen Jahren arbeite ich an einem Materialhaufen, der sich auf den 24-teiligen Liederzyklus Die Winterreise von Franz Schubert bezieht.
In einem work in progress werden einzelne Lied- oder Textteile adaptiert,  zu Modulen geformt, zu unterschiedlichen Stücken ausgeschrieben und an Ort und Zusammenhänge angepasst, zusammen gestellt.
Die Arbeit von Schubert und Müller begreife ich als ein Beispiel medialer Arbeit über marginalisierte Personen in urbanen Zusammenhängen, die bis heute in jeder Großstadt zu finden, aber kaum wahrnehmbar sind.
Schuberts Musik und die Texte Wilhelm Müllers bilden dabei für meine Arbeit nur mehr einen Assoziationsrahmen, Ausgangspunkte oder auch Widerstände in der Suche nach Musik und Klangbildern: lose, nicht schlicht zitierend oder gar chronologisch.
Für das Modul aus vierundzwanzig: vierundzwanzig, basierend auf Der Leiermann, dem letzten, dem 24. Lied, werden beide Saxofone in geringen Tonhöhenabweichungen (ein Ganzton ist in 16 Einheiten unterteilt) parallel geführt, so dass permanent Schwebungen, Differenz- und Kombinationstöne entstehen. Statt – wie im Original – den Gesangs- und Klavierpart weitestgehend  zu trennen, wird der Tonhöhenverlauf  übereinander geschichtet, so dass durch die geringen Abweichungen in den Tonhöhen ein heterophones Unisono entsteht: die Klänge beginnen zu glühen.
Die Tonhöhenfolgen des Moduls aus vierundzwanzig: zwölf/einundzwanzig, der übereinander gelegten Abschnitte des zwölften (Einsamkeit) und einundzwanzigsten (Das Wirtshaus) Schubertliedes, die je einem Instrument zugeordnet sind, beruhen auf ständigen bisbigliandos (Klangfarbänderungen einer Tonhöhe) und einem Zuspiel, dem das Heulen von Hunden zugrunde liegt. Wie ein imaginärer Triopartner behandelt, wird es per Fußschalter von den beiden Spielern an- und ausgeschaltet, bis es wie das ganze Stück allmählich zerfällt und zum Stillstand kommt.

 

GraphicSound VI – Nikola Lutz:
Die Reihe GraphicSound ist ein Improvisationskonzept zur Erforschung der Zusammenhänge von visueller und auditiver Wahrnehmung. Die Werkreihe begann 2006 als gemeinsame Konzeption von Nikola Lutz und Rebekka Uhlig, seither entsteht eine Reihe von gemeinsamen Werken und Einzelwerken beider Künstlerinnen.
GraphicSound VI ist eine musikalische Konzeption mit grafischen Partituren. Vermittels zeichenhafter aber nicht eindeutig kodierter Grafiken entsteht eine Fokussierung auf ein offen definiertes Material, das die improvisatorische Entwicklung von Musik kanalisiert, ohne sie zu determinieren. Die hierarchiefreie Gleichzeitigkeit visueller und akustischer Wahrnehmung wird zur formenden Kraft für das Stück, das sich in variablen Versionen realisiert.
Zur Entstehung: Zunächst entstand eine Sammlung von Fotografien, die das aktuelle Thema umreißen – in diesem Falle Detailaufnahmen der Instrumente Kontrabassklarinette und Tárogató. Daraufhin wurden in einem Prozess der Abstraktion aus Details dieser Fotografien Zeichnungen, die dann gescannt und auf halbtransparente Folie gebracht wurden. Die so generierte Materialsammlung erlaubt Überlagerungen, und es entstand eine formal variable Partitur, die bei jeder Realisation neu zusammengestellt wird.
Analog zur grafischen Sammlung haben Nikola Lutz und Mark L. Kysela für GraphicSound VI eine Sammlung von Improvisationen aufgenommen, aus denen Nikola Lutz später die vorliegende elektronische Realisation collagiert hat. Das Material erfährt durch Überlagerung sowie Eingriffe in Tonhöhe oder Abspielgeschwindigkeit und -richtung eine Reflexion, die seine Identität bewahrt und gleichzeitig weiter entwickelt. In dieser Transformation spiegelt sich das Verhältnis der ursprünglichen Fotografien zu den Zeichnungen wider. Seh- und Hörprozesse greifen ineinander und verdichten Improvisatorisch-Momenthaftes zu einer von vielen denkbaren Ausformungen des als Sammlung von Realisationsmöglichkeiten existierenden Werkes.

 

mit Verlaub (gehoben, eine möglicherweise Ärger erregende Aussage einleitend) – Malte Giesen
Zwei gespielte Saxofone, zwei BEspielte Saxofone, Verdopplung des Instruments, Verdopplung der Töne mit GeneralMidi-Klängen und bedeutungsloser Sprache, von reinen unisono-Tönen über Mehrklänge bis zur kompletten Öffnung ins Noise. Integration von „unpassendem“, sperrigem Material. Die synthetischen Saxofon-Klänge sind die Stilisierung des Originals, eine schlechte Kopie. So könnte man auch die zitierten Sprachklänge sehen, inhaltlich geht es bei diesen ja auch letztendlich um eine „schlechte Kopie“. Diese fallen nicht sofort als musikalisches Material auf, werden aber genau so behandelt: Ihre Abspielgeschwindigkeit und die Dauer der Ausschnitte ist direkt an Tonhöhe und Dauer der Töne in den beiden Saxofonen gekoppelt. Durch die ständige Wiederholung der immer gleichen Worte verlieren diese ihre inhaltliche Qualität, werden hohl, verwanden sich in ein rhythmisches Muster, das nur noch als Schablone für weitere klangliche Veränderungen dient. Formal ist das Stück als Wiederholung von drei Varianten von Zusammenspiel aufgebaut: Der Versuch von Einklang in höchster Geschwindigkeit, Zweistimmigkeit in individuellen Temposchwankungen und einfache Zweistimmigkeit als Quasi-Bicinium. Diese Varianten werden immer wieder wiederholt, doch bei jeder Wiederholung verändert sich etwas, zerfasert, wird undurchsichtig, die wesentlichen und unwesentlichen Bestandteile der Varianten verschwimmen und entziehen sich nach und nach der klaren Erkennbarkeit. Wie eine Kopie einer Kopie einer Kopie. Von Chromatik in die Zwischenräume, vom Raster ins Aufgelöste.

 

Criminal Immensity – Remmy Canedo:
In Criminal Immensity geht es um klangliche Meta-Vernichtung, abstrakte Gewalt, gebrochene Linien und Tempoverschiebungen. Basierend auf einem Text Georges Batailles erforscht das Stück die Schichtungsmöglichkeiten instrumentaler Gesten. Das Material ist durch algorithmische Übersetzung der Verse in Zeitmatritzen organisiert und legt so eine fragmentarische Erzählung offen, die der Struktur der u.g. sieben Strophen des Gedichtes folgt. Durch eine Tap-Tempo-Implementierung kann der Performer die Geschwindigkeit jeder Passage selbst bestimmen, daher fluktuiert die Gesamtlänge des Stücks. Ursprünglich als monophones Stück für Patrick Hammer geschrieben enthält die vorliegende CD eine alternative Stereoversion.

 

Fragment aus L’Archangélique von Georges Bataille

 

Immensité criminelle
vase fêlé de l’immensité
ruine sans limites

 

immensité qui m’accable molle
je suis mou
l’univers est coupable

la folie aimée ma folie
déchire l’immensité
et l’immensité me déchire

 

je suis seul
des aveugles liront ces lignes
en d’interminables tunnels

 

je tombe dans l’immensité
qui tombe en elle-même
elle est plus noire que ma mort

 

le soleil est noir
la beauté d’un être est le fond des caves un cri
de la nuit définitive

 

ce qui aime dans la lumière
le frisson dont elle est glacée
est le désir de la nuit

 

Assembly Line – Joseph Michaels:
Wie in vielen meiner aktuellen Werke transportiert Assembly Line Elemente aus der Popularmusik in einen experimentellen Kontext: eine ausgeprägte Pulsation, tonale Wendungen und symmetrische Strukturen werden mit 16tel-töniger Mikrotonalität und scharfen Dissonanzen durchsetzt. Kompositionen, die ausschließlich vom Klang ausgehen sind schwer zu benennen. In solchen Fällen sehe ich mich gerne nach einem Sinnbild aus dem täglichen Leben um. Inspiriert von den elektronischen Klangfarben des vorproduzierten Zuspielers und der repetitiven Natur dieser Musik kam mir spontan die Assoziation einer automatisierten Fertigungsstraße in den Sinn.
Fast alle Klänge im Playback stammen von Aufnahmen mit Mark L. Kysela und seinem Sopransaxofon. Ich nahm mit ihm eine As-Dur Tonleiter über drei Oktaven auf, die dann nachbearbeitet wurde und so das Material für das Playback bildete.
Das Stück ist für Nikola Lutz und Mark Lorenz Kysela geschrieben und wurde am 16. Mai 2014 in der Gedok Stuttgart uraufgeführt. Der Kompositionsauftrag wurde von der Robert-Bosch-Stiftung ermöglicht.

 


 

Remmy Canedo
ist ein digitaler Alchemist, der mechanische Wellen in experimentelle elektronische Kunst verwandelt. Er studierte Komposition und Computermusik bei Jorge Pepi Alos an der University of Chile (BA), Marco Stroppa an der Musikhochschule Stuttgart (MA & Konzertexamen) und später am IRCAM (Cursus 1 & 2) bei Hector Parra. Seine Musik erforscht klangliche Manipulations- und Deformationsmöglichkeiten in Echtzeit, wobei sein zentrales Interesse dem Experimentieren sowie dem Dialog zwischen Maschine und Performer gilt. In den letzten Jahren lag der Hauptfokus seiner Arbeit auf der Umsetzung live-algorithmischer Kompositionskonzepte als Erweiterung des Konzeptes der Klangmanipulation. Als Partitur generiert er interaktive Netzwerke, die den kompositorischen Prozess, die Aufführenden, sowie visuelle Elemente für die Erzeugung vielgestaltiger Musik einbeziehen. 2012 begann er zusammen mit Tobias Hartmann audiovisuelle Installationen zu kreieren, was zur Entstehung des AVAF (AudioVisualArtFabrik) Kollektiv für interaktive Kunst führte. Darüber hinaus gründete er 2013 das Reactive Ensemble, ein auf Computermusik-Design für die Aufführung von elektronischer Musik und Multimedia Kunst spezialisiertes Ensemble.
www.vimeo.com/channels/remmycanedo

 

Malte Giesen
1988 in Tübingen geboren, studierte Komposition/Computermusik in Stuttgart und Berlin, unterrichtet seit 2015 an der Musikhochschule Karlsruhe. 2009 erhielt er den ersten Preis des Deutschen Musikwettbewerbs Komposition. Dirigentische und künstlerisch-technische Betreuung für das Ensemble Ascolta seit 2012. Aufführungen im In- und Ausland, u.a. durch das RSO des SWR Stuttgart, Sonar Quartett, Quatuor Diotima, Sonic.Art Saxophon-Quartett, Ensemble Ascolta, ensemble recherche, ensemble mosaik, Ensemble Kuraia, Neue Vocalsolisten Stuttgart, Orchestre du CNSM, Ardey Saxophon-Quartett, Namascae Lemanic Modern Ensemble, SUONO MOBILE global auf diversen Festivals, u.a. Donaueschinger Musiktage, Wien Modern, Klangwerkstatt Berlin, Ars Nova Rottweil, Neue Töne Open, blurred edges Hamburg, Stuttgarter Saxophonfestival. Zusammenarbeit mit Künstlern aus anderen Bereichen, Vermittlung von Neuer Musik an Schulen und Musikschulen, Gründungs-Mitglied im Klangbüro e.V. , künstlerisch- organisatorische Mitarbeit in SUONO MOBILE – Initiative für Neue Musik und Co-Initiator des Stuttgarter Festivals „Neue Töne Open“.
www.malte-giesen.de

 

Mark Lorenz Kysela
Mark Lorenz Kysela wurde 1971 in Stuttgart geboren und verbrachte dort auch seine Schulzeit. Es folgten Studien in den Fächern klassisches Saxofon, Kammermusik und Zeitgenössische Musik in Frankfurt/Main und am CNR Bordeaux, Frankreich bei Marie-Bernadette Charrier und Jean-Marie Londeix. Seine Interessensschwerpunkte liegen im Bereich der Neuen, Neuesten und Experimentellen Musik, Freien Improvisation und der Elektronischen und Computer-Musik.
Nicht nur als Saxofonist, sondern auch als Ad-Hoc Spieler, Performer, Komponist oder Elektroniker tritt Mark Lorenz Kysela regelmäßig national und international bei wichtigen Festivals der Zeitgenössischen und Improvisierten Musik auf, dabei liegt sein Hauptaugenmerk auf der Zusammenarbeit mit Komponisten und Schaffenden anderer Kunstzweige und dem eigenen Erstellen unterschiedlichst gearteter musikalischer und multimedialer Konzepte. Seine Arbeit ist durch viele Rundfunk- und CD-Produktionen dokumentiert, zahlreiche Stücke wurden von ihm solistisch oder in unterschiedlichsten Kammermusikformationen (ur-)aufgeführt. Wichtige Personen in seiner bisherigen künstlerischen Biographie sind unter anderem Alan Hilario, Martin Schüttler, Michael Maierhof, Christoph Ogiermann, Eckart Beinke, Hans-Joachim Hespos, Robin Hoffmann, Hannes Seidl, Thomas Stiegler, Maximilian Marcoll, eine enge künstlerische Freundschaft und häufige Zusammenarbeiten verbindet ihn mit den Tanzperformern und Choreographen Claudia Senoner und Fabian Chyle. Er arbeitete mit dem Staatsopernorchester Stuttgart, dem Radio-Sinfonieorchester des SWR und zahlreichen anderen renommierten Klangkörpern zusammen, er ist Saxofonist des Ensembles Oh Ton (www.ohton.de) und vieler anderer Formationen, außerdem ist er Mitglied des Musiker- und Komponistenkollektivs Stock11 (www.stock11.de) und zusammen mit Jörg Koch und Matthias Schneider-Hollek künstlerischer Leiter der monatlichen Elektronik- und Improvisations-Konzertreihe „Elektrominibarklingelton“ (www.elektrominibarklingelton.de).
2013 erschein seine Solo-CD „Eins+“ mit sechs zeitgenössischen Werken beim Frankfurter Label Gruenrekorder.

 

Nikola Lutz
Studierte Saxofon in Bordeaux und Stuttgart und hat sich als Saxofonistin für Neue und experimentelle Musik einen Namen gemacht. Zahlreiche Uraufführungen markieren ihr konstantes Interesse an kreativer Literaturentwicklung für das Saxofon. Seit 2006 ist sie Dozentin für klassisches Saxofon an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. 2010 wurde sie mit dem 1. Preis und dem Publikumspreis beim internationalen Saxofonwettbewerb in Paris ausgezeichnet.
Neben ihrer regen Konzerttätigkeit beschäftigt sich Nikola Lutz mit elektronischer Komposition und setzt sich mit Möglichkeiten der Erweiterung des Instrumentariums durch Elektronik auseinander. In ihren Klangskulpturen zwischen komponierter und improvisierter Neuer Musik überlagern sich elektronische und akustische Klangwelten und finden zu neuen ästhetischen Berührungspunkten. Ihr besonders Interesse gilt dabei interdisziplinären Konzeptionen wie z.B. in ihrer Werkreihe „GraphicSound“, wo sie sich mit grafischen Partituren sowie modifizierten Vinyl-Rohlingen mit audiovisueller Wahrnehmung und Klangkonzeption auseinandersetzt.
2013 begann sie neben dem Saxofon auch das osteuropäische Volksinstrument „Tárogató“ zu spielen und arbeitet seither an der Entstehung einer neuen Literatur für dieses Instrument. Tourneen mit klassischer und experimenteller Musik führten sie durch die USA, China, Brasilien, Russland, Indien und europäische Länder. 2015 wurde Nikola Lutz Mitgründerin und 1. Vorsitzende des „Stuttgarter Kollektivs für aktuelle Musik“.
www.nikolalutz.de

 

Joseph Michaels
geb. 1977 in Oberlin, Ohio, USA, lebt als freischaffender Komponist, Multimedia-Künstler und Kurator in Stuttgart. Michaels Interesse am Ausprobieren von Klangwelten und deren sozialen Implikationen tritt in vielen seiner aktuellen Werke zu Tage, in denen experimentelle klassische Musik mit Ereignissen und Klängen aus dem täglichen Leben und anderen vertrauten Situationen konfrontiert wird. In seinen Stücken nutzt er erweiterte Spieltechniken, alternative Intonationssysteme, Musiktheater und verschiedene Medien wie Video und Zuspiel-Tapes. Michaels ist auch veranstalterisch aktiv. Seit Januar 2015 arbeitet er im Vorstand des Stuttgarter Kollektivs für aktuelle Musik mit, das experimentelle Musik in Süddeutschland fördert.
Michaels’ Stücke wurden in Nord- und Südamerika, Afrika und Europa von Interpreten wie dem Bugallo-Williams Duo, ensemble cross.art, Geoffrey Deibel, Stephen Mattingly, Thürmchen Ensemble, Truike van der Poel und Andreas Fischer (Neue Vokalsolisten), Rohan de Saram und Ensemble SurPlus aufgeführt. Er erhielt Einladungen als Gastkomponist an Hochschulen in Europa und den USA. Seine Musik wurde im WDR3 und dem Freien Radio Stuttgart gesendet und an wichtigen Kunstereignissen wie dem Acht Brücken Festival, Curitiba Biennale, Gaudeamus und ISCM Miami gespielt.
www.michaelssound.com

 

Uwe Rasch
Studium an der Universität Bremen und der Hochschule für Kunst und Musik, Bremen, Gast in der Kompositionsklasse von Rolf Riehm, Frankfurt; Stipendiat der Hochschule Bremen; einige Jahre freier Mitarbeiter bei Radio Bremen; Lehrbeauftragter an der Hochschule für Künste Bremen bis 2008, Musikpädagoge, Mitbegründer und Mitarbeiter der projektgruppe neue musik bremen, Mitglied der Künstlergruppe stock11
Die meisten Arbeiten sind geprägt durch audio-visuelle Verbindungen, gestische, halbszenische, konzert-installatorische Momente, sowie durch die unterschiedlichsten Korrespondenzen zwischen Körper(bewegung) und Klang; häufig entstehen Klangbilder in Zusammenarbeit mit Schauspielern, Tänzern und Sängern, Filmern
2013 CD/DVD Musik als Leibesübung 1993 – 2009
www.stock11.de

 


 

Gestaltung
For the front cover of the present CD, Jörg Koch created an independent picture from the photographs that were used for the preliminary stages of GraphicSound VI. The 70 original pictures were stacked on top of each other and mixed together with various blend modes. Thus, certain areas were emphasized, distorted, or eliminated depending on their coloring. The process of superimposing and abandoning complete controllability correlates with the improvisatorial concept of Nikola Lutz’s GraphicSound… yet it also leaves its own mark.

 

Fotografen
Joseph Michaels: Patricia Neligan
Nikola Lutz & Mark Kysela: Gerhard Killet
Malte Giesen: Fondation Royaumont – Agathe Poupeny
Remmy Canedo: HyunJun Hong
Alle Anderen: Privat

 

Danke an
Achim Reiter, Patrick Hammer, Jeanette Singer, Gerhard Killet, Harald Dallhammer, Jörg Koch, Rebekka Uhlig, Piet Johan Meyer

 

Invading Pleasures (Nikola Lutz & Mark Lorenz Kysela)

 

Sound Art Series by Gruenrekorder
Germany / 2015 / Gruen 156 / LC 09488 / GEMA / EAN 4050486947142

 


 

Reviews

 

Ed Pinsent | The Sound Projector
Intensive exploration of the possibilities of the saxophone in modern music on Infinite Jest (GRUENREKORDER Gruen 156). The duo Mark Lorenz Kysela and Nikola Lutz, calling themselves Invading Pleasures, are consummate players dedicating to pushing envelopes and expanding the boundaries of what is considered possible to play on the saxophone. To that end, here are six compositions and situations set up to test their mettle, including works by Uwe Rasch, Malte Giesen, Remmy Canedo, Joseph Michaels, and Lutz herself. They treat the sounds of their instruments extensively with live electronics, play multiple instruments at the same time, and draw no lines between composition and improvisation. The works here are heavily annotated, but these notes mostly describe the elaborate processes involved in their creation; one of them uses graphics scores derived from photographs, another piece doubles up the instrument pitches with “Midi sounds and meaningless speech”. Still another boasts that it is “about sound meta-annihilation, abstract violence, broken lines and tempo shifts” and goes on to quote Georges Bataille. In short, I know when I’m outsmarted; this release is far too intellectualised and hyper-musical for me to derive much enjoyment from it, and while one can admire the skills on offer and the unusual sounds created, the operation feels far too poised and contrived, and the music emerges as something cold and clinical in its perfection. The work doesn’t appear to be about anything, other than the process by which it was created, and the musicians’ ability to play it. From 26 January 2016.
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Katrin Hauk | freiStil – Magazin für Musik und Umgebung / #67
infinte jest (Gruenrekorder/gruenrekorder.de) umfasst neue Musik für zwei Saxofone, gespielt vom Duo Invading Pleasures mit Nikola Lutz und Mark Lorenz Kysela. Uwe Raschs Stück aus vierundzwanzig: vierundzwanzig eröffnet das Album. Rasch bezieht sich in seinem Zyklus aus vierundzwanzig auf Schuberts 24-teiligen Liederzyklus Die Winterreise und verarbeitet einzelne Lied- bzw. Textteile zu neuen Modulen. Beim ersten Stück spielen die beiden Musiker unisono eine Melodielinie im hohen Register. Beim zweiten Stück aus vierundzwanzig: zwölf/einundzwanzig, ebenfalls Teil dieses Albums, fügt Rasch Elektronik und Klangobjekte hinzu. Fast alle Stücke auf dieser CD beinhalten elektronische Zuspielungen bzw. Live-Elektronik, wie etwa auch Malte Giesens Komposition mit Verlaub (gehoben, eine möglicherweise Ärger erregende Aussage einleitend). Schnelle Saxofonlinien fallen hier zu Beginn nach unten, begleitet von elektronischen Klängen, die sich im weiteren Verlauf des Stücks in Stimmengewirr veränderen. Neben Musik dieser beiden Komponisten gibt es noch Arbeiten von Remmy Canedo, Joseph Michaels und Nikola Lutz selbst zu hören. Lutz‘ Stück GraphicSound VI basiert auf Detail-Fotografien einer Kontrabassklarinette und eines Tárogató, die in einem weiteren Schritt abstrahiert werden und durch Überlagerungen zu einer variablen Partitur führen. Jedes dieser Stücke trieft nur so vor Hirnschmalz. Die Musik selbst klingt dennoch nie konstruiert, was den beiden Interpreten zuzuschreiben ist. Sie spielen gekonnt, mit Überzeugung und bringen es stets auf den Punkt.
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Guillermo Escudero | Loop
Behind Invading Pleasures are Stuttgart-based saxophonists Nikola Lutz: soprano, alto, bass saxophone, Tárogató [an Eastern European folk instrument], sound objects, voice, electronics, and Mark Lorenz Kysela: soprano, alto, tenor saxophone, bass clarinet, sound objects, electronics. Both musicians hold an important career in contemporary and improvised music. Their interest is pointed at to expand the possibilities of the instrument through electronics.
„Infinite Jest“ is a new release in the Sound Art Series of the German label and consists of six compositions by musicians Uwe Rasch [two pieces], Nikola Lutz, Malte Giesen, Remmy Canedo and Joseph Michaels.
In the two Rasch’s compositions „aus vierundzwanzig: vierundzwanzig“ the two saxophone sound almost in unison playing the same notes, many of which are electronically manipulated to produce intricate shapes.
„Grahic Sound VI“ by Nikola Lutz’s, the sax emits guttural sounds, some of them almost unnoticeable.
On „aus vierundzwanzig: zwölf / einundzwanzig“ by Uwe Rasch overlap to the sax electronic and acoustic noise and distorted voices.
„mit Verlaub“ by Malte Giesen blend voices with pitch variations and swirling sax attempt to produce a dialogue.
On „Criminal Immensity“ by Remmy Canedo display staccato and sustained sax notes alogwith computer generated sounds.
The last piece of Joseph Michaels „Assembly Line“ computer generated sounds come together with repetitive and espectral sax notes.
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DM | VITAL WEEKLY
So let’s change to the Invading Pleasures, which is the name of a Stuttgart-based duo of saxophonists Mark Lorenz Kysela and Nikola Lutz. They have an interest for combining saxophone with electronics. ‘Infinite Jest’ is their debut album, counting six compositions that all illustrate this interest. Five works are especially written for them. Two parts from Rasch’s work ‘Aus Vierundzwanzig’, a work by Nikola Lutz himself, Plus three compositions by Malte Giessen, Remmy Canedo and Joseph Michaels. All works have in common that electronics play an important role in embedding, manipulating, transforming the sax playing, etc. Highly experimental and conceptual. But again I have to say that this accomplished music did not work for me. I don’t like the combination of sax and other – often electronic – sounds. Also the compositions didn’t impress me. All together these two releases are too far away from my aesthetics.
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textura
Gruenrekorder has certainly made a name for itself as a central hub for field recordings-related activity, but there are other sides to the label, too, one of which is symbolized by Infinite Jest, a seventy-minute collection produced by Stuttgart-based saxophonists Mark Lorenz Kysela and Nikola Lutz under the Invading Pleasures name. Though it’s tempting to describe the release as representative of the label’s more conventional musical side, such a description is misleading: the material, while rooted in musical form, is anything but conventional; instead, it’s as daring and experimental as anything else in the Gruenrekorder catalogue and fittingly is presented as an installment in the label’s Sound Art Series.

 

The saxophonists draw inspiration from the instrument’s seemingly limitless sound-generating possibilities, especially when it’s augmented by electronics, and fervently apply that mindset to the six settings on the recording, two of them by Uwe Rasch and one by Lutz herself. The range of music explored on the album might not match the mind-boggling sprawl of David Foster Wallace’s novel—what recording could?—but it does at the very least suggest it. In pursuit of their goal, Kysela and Lutz arm themselves with soprano, alto, tenor, and bass saxophones, as well as contrabass clarinet, tárogató (an Eastern European folk instrument), and, of course, electronics. Both musicians are engaged in exploring the overlaps between composed and improvised forms and between the acoustic and electronic realms.

 

Rasch’s two pieces derive from a body of work he’s creating based on Schubert’s twenty-four-part song cycle Die Winterreise. The first of the two, aus vierundzwanzig: vierundzwanzig (based on “Der Leiermann,” the last of the cycle’s songs), catches one’s ear immediately due to the minute differences between the saxophones‘ unison lines. Beating effects are generated when the pitches closely align, and the pitch-shifting capacity of the instrument allows the patterns to gradually converge and diverge, making for all kinds of fascinating sonic effects. The second, aus vierundzwanzig: zwölf/einundzwanzig, uses pitches taken from the twelfth (“Einsamkeit”) and the twenty-first (“Das Wirtshau”s) songs, which are overlaid and separately voiced by the instruments. Complicating matters, a playback triggered by the players‘ foot pedals and based on the barking of dogs appears as recurring punctuation.

 

The energy level escalates in Malte Giesen’s mit Verlaub, a wild, roller-coaster collage of bleating saxes, garbled voice chatter, multiphonics, unison pitches, programmed beats, and noise. A somewhat macabre dimension is added to the project via Remmy Canedo’s Criminal Immensity, which doesn’t come as a complete shock given that it’s based on Georges Bataille’s L’Archangélique and smears the saxophones‘ grinding and groaning with scabs of grime and distortion. As aptly titled but a little easier on the ears is Joseph Michaels‘ Assembly Line, which re-assembles recordings of Kysela’s soprano sax playing to mimic the repetitious operation of an automated assembly line.

 

For Lutz’s Graphic Sound VI, the musicians recorded a series of improvisations that she then shaped into a twenty-two-minute collage. Over the course of the piece, guttural, burbling, braying, creaking, and writhing sounds repeatedly surface in what could be construed as a direct challenge to accepted definitions of music. Still, as interesting as its wide-ranging soundworld is, the piece’s explorative flow arrests the momentum established by Rasch’s opener, and it’s not the only time the listener is asked to accept meander on the recording. To appreciate what Infinite Jest has to offer, there are times when one must attune oneself to its oft-meditative character and set aside expectations of high-intensity fireworks—though there is a generous helping of that, too.
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Łukasz Komła | Nowamuzyka.pl
Nowości z Gruenrekorder. Tym razem coś dla miłośników eksperymentów rozpisanych na saksofony i modułowe instalacje nawiązujące do dzieł Franza Schuberta.

 

Nikola Lutz studiowała naukę gry na saksofonie w Bordeaux i Stuttgartcie. Podobnie Mark Lorenz Kysela. Oboje w swoich pracach skupiają się na łączeniu swobodnej improwizacji z elektroniką. Niekiedy w trakcie komponowania wykorzystują kilka saksofonów naraz. „Infinite Jest” to ich pierwsze wspólne wydawnictwo, które przynosi sześć kompozycji będących próbą interpretacji utworów, takich kompozytorów jak Uwe Rasch, Joseph Michaels, Remmy Canedo czy Malte Giesen. Duet zaskakuje mnogością użytych technik odnoście saksofonu, co w zestawieniu z muzyką komputerową daje nam postmodernistyczną tkankę zanurzoną w eksperymentach z formą, jak i brzmieniem. Luzt i Kysela nieustannie dopieszczają dysonanse, chropowatości oraz pozbawiają słuchaczy wszelki skojarzeń i prostych nawiązań. Ich myślenie na „Infinite Jest” pokazuje, że kreują swój własny świat dźwięków. []
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