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Reviews | By Rigobert Dittmann / Bad Alchemy Magazin (129) – Listen! MadeRadioArt Anthology | Sergio Armaroli & Steve Piccolo – OSTN | PIETRO GROSSI (Sergio Armaroli)

Reviews | By Rigobert Dittmann / Bad Alchemy Magazin (129)
Listen! MadeRadioArt Anthology | Sergio Armaroli & Steve Piccolo
…restless …mind numbing …futile obsessions …endless words … nagging anxieties …hedonistic ur­ges – wir sind im Krisenmodus. Konfrontiert mit a conjunction of multiple evils that could have been avoided, had it only been seen as profitable to do so. So sind Mani­pulation, Mythen, Legenden und Faulheit beliebter als Information und Kommunikation. Wo doch the agency of the user or consumer, the auditor, the hearer von größter Bedeutung ist und, mit meinen Worten, der verpopanz­te oder verteufelte Kapitalismus längst in Konsumismus unbenannt gehört. Wenn auch nur, um den richtigen Baum anzubellen. SERGIO ARMAROLI (CD1) & STEVE PICCOLO (CD2), die zusammen Erratum als space for sound art and poetry in Mailand kuratieren, umkreisen das mit Listen! MadeRadioArt Anthology (Gruen 222, 2xCD), zwei 2016 colla­gierten Hörspielen aus spoken words, Theatralik, Umweltgeräuschen und elektroakus­tischen Klängen. Armaroli, der auf Leo Records mit Schiaffini & Sjöström, Fritz Hauser, Steve Piccolo & Elliott Sharp, Roger Turner oder Steve Day begegnete Vibraphonist, Schlagzeuger, Komponist und Improvisator, nimmt einen mit zu einer Konferenz der Tiere und der kynischen Suche nach Menschen, am hellichten Tag mit ner Taschenlampe. Ge­sucht wird der Homme libre, jemand wie Apollinaire. Angefangen bei einem selber: Je suis un homme qui se cherche. Mit „Fui ingannata – ich wurde getäuscht!“ könnte die Besin­nung beginnen und im Galopp Error und Terror hinter sich lassen. []

 

OSTN | PIETRO GROSSI (Sergio Armaroli)
Der Cellist PIERO GROSSI (1917-2002), 1963 Gründer des S 2F M (Studio di Fonologia Musicale di Firenze), war ein Avantgardist von „Musica algoritmica“, „Elettro Musica“ und „Computer Music“ (für die er Klassiker von Bach bis Stockhausen an seine TAUmus/TAU2 station verfütterte), der schon in den 80er/90ern mit dem Konzept der ‚HomeArt‘ & ‚Home­Books‘ auch auf das „self-decision making“ von visueller Kunst und Literatur durch Per­sonalcomputer setzte. Auf OSTN (Gruen 223) interpretiert Sergio Armaroli mit Vibraphon und Magnetband sechs „Ostinati“ von Grossi. Als vibraphon-motorisierte Klangfelder aus wabernden Tremoli, tupfender Pulsation, weißem Rauschen, pfeifendem Wind, repetier­tem Glissando, gipfelnd in einem turbulenten Ausdruck von Willensfreiheit. Dazu bettet er Grossi essayistisch ein in den von Pythagoras über Euler bis in die quantenmechanische Gegenwart führenden Diskurs von Mathematik und Musik. Als demokratischen Utopisten, der, inspiriert durch den Socialismo liberale und die Rivoluzione Liberale der antifaschis­tischen Märtyrer Carlo Rosselli (+1937) und Piero Gobetti (+1926), mit den Zwängen der Arbeit auch die Mühsal des Musikmachens abschaffen wollte. Statt dessen sollen alle, die Lust dazu haben, sich dem Spiel mit Computern und dem Hören hingeben können: The computer frees us from the genius of others and enhances our own. []