Of Wolves and People | Melissa Pons & Nils Mosh

 

Of Wolves and People | Melissa Pons & Nils Mosh
Gruen 214 | Vinyl (+ Digital) | Digital > [Bestellung]
English | Deutsch
Rezensionen

 

2019 begannen Melissa und Nils mit der Arbeit an diesem Projekt, indem sie online kollaborierten und Ideen austauschten. Während Melissa dem Heulen des iberischen Wolfs in Portugal folgte, konzentrierte sich Nils auf einen bestimmten Grauen Wolf, GW954f, in Deutschland.

 


 

Lament of the wolf – Melissa Pons
Komposition aus Field Recordings und Musik | 20:02 min | Exzerpt: MP3

 

Durch die Brille der christlichen Mythologie wurde der Wolf aus einer furchteinflößenden Perspektive betrachtet. Denn was ist die andere Seite der biblischen Bilder von Jesus als einem Hirten, der seine Herde beschützt? Als die Menschen eine gewaltsame Vernichtungsmethode wählten, um ihr Eigentum und ihren Lebensunterhalt zu schützen, wurde der Wolf, der schlecht verstanden und mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde, in Europa ständig gejagt, oft in der Öffentlichkeit gefoltert, und einen Wolf zu töten, galt als Symbol für Mut. In den letzten Jahrzehnten hat die Population des Iberischen Wolfs in Portugal einen drastischen Rückgang erlitten, der die verbliebenen Rudel in den Norden des Rio Douro verdrängt hat, während sie früher fast das ganze Land bewohnten. Inzwischen gibt es Schutzmaßnahmen durch Sensibilisierung, Aufklärung und die Anwendung nachhaltiger Methoden, auch wenn engagierte Organisationen in einigen Regionen immer noch auf Zweifel und Widerstand stoßen.

 

Melissa verbrachte mehrere Tage im Iberian Wolf Recovery Center – einem Schutzgebiet in der Nähe von Lissabon, Portugal – und lernte von den MitarbeiterInnen und durch die Beobachtung der Wölfe, die sie vom späten Abend bis zum frühen Morgen aufnahm, ein Gefühl für ihren Rhythmus zu bekommen. Minho, Gardunha, Arga, Lobito, Nave, Gerês, Malcata, Regoufe, Nogueira, Freita, Faia, Bolota sind ihre Namen.

 

In Anknüpfung an die häufigen Träume mit Tieren, die Melissa damals erlebte, entstand in ihrer Phantasie die Figur eines Kindes, das durch Neugier und tiefen Respekt eine Beziehung zu Wölfen aufbaut. Das bedeutet nicht, den Wolf zu zähmen oder zu domestizieren, sondern die Angst zu überwinden und den Wolf als ein hochintelligentes und sensibles Tier zu verstehen.

 

Es ist diese Intelligenz und Sensibilität, die im Mittelpunkt dieser Komposition stehen. Der Wolf lebt und der Wolf leidet unter der menschlichen Arroganz. Und sein beängstigendes und hypnotisches Heulen kann einfach ein schönes Lied sein. Ihre Körperbewegungen, flink und doch stark, stampfen auf den Boden, den man unter den Füßen spürt. Wie sie von den Menschen – und natürlich auch von anderen Tieren – Respekt einfordern. Dass sie ein Recht auf Leben haben, einfach weil es sie gibt, und weil wir die verheerenden Auswirkungen auf die Ökosysteme gesehen haben, die ihre Ausrottung verursacht haben. Für Melissa kann der Wolf sehr wohl als mythologische Figur gesehen werden, wegen all der Eigenschaften, die er besitzt, und wegen des Gleichgewichts, das er dort schafft, wo er existiert.

 


 

GW954f – Nils Mosh
Kollage aus Fieldrecordings & Interviews | 20:52 min | Exzerpt: MP3

 

Der Wolf ist zurück im Ruhrgebiet. Das Gebiet von GW954f aka „Gloria von Wesel“ ist eine abwechslungsreiches Revier dominiert von Bergbau, durchzogen mit verwunschenen Seelandschaften aus stillgelegten Sandgruben, renaturierten Wäldern, aktiver Industrie, Weideflächen und Dörfern. Doch die einzigartige Klanglandschaft wird begleitet von Sorgen, Meinungen, Streit und Hoffnungen der in ihr lebenden Menschen.

 

Die Wölfin bekommt man selten zu Gesicht, wenn dann auf verwackelten Handy Aufnahmen oder auf Fotos von Kamerafallen die dicht an dicht zwischen den Weidezäunen stehen. Noch seltener bekommt man die Wölfin zu hören, als ob sie ahnen würde, dass ihr in ihrem Territorium zwischen Bottrop, Dinslaken, Gahlen und Oberhausen der ein oder andere an den Pelz will. Wie nimmt sie die Welt um sich rum auf? Was bedeuten für sie die vom Menschen erzeugten Geräusche, wie Förderbänder und Bagger beim Abbau in den Sandgruben? Weiß sie schon dass da Menschen sind, lange bevor die Frösche verstummen, da sie einen zweibeinigen Eindringling erkannt haben? Und wie klingt die Rückkehr des Wolfes nach 160 Jahren ins Ruhrgebiet für die AnwohnerInnen? Lauschen sie den fröhlich singenden Nachtigallen oder stört sie das lärmende Wettrüsten der Wolfsschutz-Zäune? Und bekommt das ohnehin schon fremdartige Röhren der Rot- Hirsche im Duett mit den Schreien der Waldkäuze auf einmal einen bedrohlichen Unterton wenn sich in Gedanken das Heulen eines Wolfsrudels rein-mischt?

 

Die reiche Soundkulisse des Ruhrgebiets ergänzen Interviews mit AnwohnerInnen aus der Wolfsregion. PferdehalterInnen, NaturschützerInnen, SchäferInnen und viele mehr erzählen von ihren Sorgen, Vermutungen und Veränderungen im Alltag. Und vielleicht geht es auch gar nicht immer um den Wolf.

 


 

www.melissapons.com
www.nilsmosh.com

 

 

2 Tracks (40′54″)
Vinyl (300 copies)

 

Sound Art Series by Gruenrekorder
Germany / 2023 / Gruen 214 / LC 09488 / GEMA / EAN: 197187682935

 


 

Rezensionen

 

Henry Kozok | radiohoerer / Radio – und Medientipps für Neue Musik, Jazz, Film, Konzerte und Hörbares
Am Wolf scheiden sich seit Menschengedenken die Geister. Es gibt nur eines: Liebe oder Hass. Die einen richten Schutzgebiete für den Wolf ein, die anderen schützen ihre Tiere vor ihm. Beides ist richtig. Umso wichtiger ist diese Veröffentlichung.

 

Melissa Pons hat ihren Weg zum Wolf gefunden. Der hat mit Respekt und Erkennen zu tun. Während Nils Mosh sich mit den folgen der Rückkehr des Wolfes im ländlichen Raum von NRW beschäftigt und auf Spurensuche. PferdehalterInnen, NaturschützerInnen, SchäferInnen und viele mehr erzählen von ihren Sorgen, Vermutungen und Veränderungen im Alltag. Und vielleicht geht es auch gar nicht immer um den Wolf.

 

Lament of the wolf – Melissa Pons

 

Durch die Brille der christlichen Mythologie wurde der Wolf aus einer furchteinflößenden Perspektive betrachtet. Denn was ist die andere Seite der biblischen Bilder von Jesus als einem Hirten, der seine Herde beschützt? Als die Menschen eine gewaltsame Vernichtungsmethode wählten, um ihr Eigentum und ihren Lebensunterhalt zu schützen, wurde der Wolf, der schlecht verstanden und mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde, in Europa ständig gejagt, oft in der Öffentlichkeit gefoltert, und einen Wolf zu töten, galt als Symbol für Mut.

 

In den letzten Jahrzehnten hat die Population des Iberischen Wolfs in Portugal einen drastischen Rückgang erlitten, der die verbliebenen Rudel in den Norden des Rio Douro verdrängt hat, während sie früher fast das ganze Land bewohnten. Inzwischen gibt es Schutzmaßnahmen durch Sensibilisierung, Aufklärung und die Anwendung nachhaltiger Methoden, auch wenn engagierte Organisationen in einigen Regionen immer noch auf Zweifel und Widerstand stoßen.

 

Melissa verbrachte mehrere Tage im Iberian Wolf Recovery Center – einem Schutzgebiet in der Nähe von Lissabon, Portugal – und lernte von den MitarbeiterInnen und durch die Beobachtung der Wölfe, die sie vom späten Abend bis zum frühen Morgen aufnahm, ein Gefühl für ihren Rhythmus zu bekommen. Minho, Gardunha, Arga, Lobito, Nave, Gerês, Malcata, Regoufe, Nogueira, Freita, Faia, Bolota sind ihre Namen.

 

In Anknüpfung an die häufigen Träume mit Tieren, die Melissa damals erlebte, entstand in ihrer Phantasie die Figur eines Kindes, das durch Neugier und tiefen Respekt eine Beziehung zu Wölfen aufbaut. Das bedeutet nicht, den Wolf zu zähmen oder zu domestizieren, sondern die Angst zu überwinden und den Wolf als ein hochintelligentes und sensibles Tier zu verstehen.
Es ist diese Intelligenz und Sensibilität, die im Mittelpunkt dieser Komposition stehen. Der Wolf lebt und der Wolf leidet unter der menschlichen Arroganz. Und sein beängstigendes und hypnotisches Heulen kann einfach ein schönes Lied sein. Ihre Körperbewegungen, flink und doch stark, stampfen auf den Boden, den man unter den Füßen spürt. Wie sie von den Menschen – und natürlich auch von anderen Tieren – Respekt einfordern. Dass sie ein Recht auf Leben haben, einfach weil es sie gibt, und weil wir die verheerenden Auswirkungen auf die Ökosysteme gesehen haben, die ihre Ausrottung verursacht haben.
Für Melissa kann der Wolf sehr wohl als mythologische Figur gesehen werden, wegen all der Eigenschaften, die er besitzt, und wegen des Gleichgewichts, das er dort schafft, wo er existiert.

 

Nils Mosh Kollage aus Fieldrecordings & Interviews

 

Ursprünglich wollte Nils Mosh nur dorthin, um eine Nachtigall aufzunehmen. Doch schon bei seinem ersten Besuch verliebte er sich in die Landschaft der Kirchheller Heide und noch spannender wurde es, als er erfuhr, dass es in dem Gebiet wieder eine Wölfin gibt. Um mehr herauszufinden, orientierte er sich an der Gahlener Wolfskarte und lernte direkt Betroffene kennen, fand Wolfsfell an Stacheldraht und fand Grabungsspuren von Riesenwolfspfoten. Über einen Zeitraum von drei Jahren besuchte Nils Mosh das Gebiet von GW954f und ihrem Rudel. Er besuchte Rissstellen, Mahnwachen gegen den Wolf, baute Wolfsschutzzäune mit WikiWolves e.V., dessen Motto „Weidetierschutz ist Wolfsschutz“ lautet, und sprach mit Naturschützern aus der Region. Über kein Thema wird in der Region so heftig diskutiert wie über den Wolf und was mit ihm zu tun ist. Dabei geht es oft um viel mehr. Um den Kampf Stadtmensch gegen Landmensch, um unterschwellige Ängste und den Wandel in der Gesellschaft.

 

Der Wolf ist zurück in Deutschland im Ruhrgebiet. Das Gebiet der GW954f alias „Gloria von Wesel“ ist eine abwechslungsreiche, vom Bergbau geprägte Gegend, durchsetzt mit verwunschenen Seenlandschaften aus stillgelegten Sandgruben, renaturierten Wäldern, aktiver Industrie, Weiden und Dörfern. Doch die einzigartige Klanglandschaft wird begleitet von den Sorgen, Meinungen, Streitigkeiten und Hoffnungen der Menschen, die in ihr leben. Der Wolf ist selten zu sehen, aber wenn, dann auf unscharfen Handybildern oder in Kamerafallen, die dicht an dicht zwischen den Zäunen zum Schutz der Schafe stehen. Noch seltener ist die Wölfin zu hören, als ob sie vermutet, dass in ihrem Revier zwischen Bottrop, Dinslaken, Gahlen und Oberhausen der eine oder andere versucht, an sie heranzukommen. Wie nimmt sie die Welt um sich herum auf? Was bedeuten ihr die Geräusche der Menschen, wie Fließbänder und Bagger in den Sandgruben? Weiß sie schon, dass sich Menschen nähern, lange bevor die Frösche verstummen, weil ein zweibeiniger Eindringling auftaucht? Und wie klingt die Rückkehr des Wolfes nach 160 Jahren im Ruhrgebiet für die Anwohner? Lauschen sie dem Gesang der Nachtigallen oder lassen sie sich von den lärmenden Bauarbeiten an den Wolfsschutzzäunen stören? Und geht ihnen das ohnehin schon ungewohnte Röhren des Rothirsches im Duett mit den Rufen des Waldkauzes auf die Nerven, weil sie wissen, dass irgendwo in der Dunkelheit ein Wolf lauert? Die reiche Geräuschkulisse des Ruhrgebiets wird ergänzt durch Interviews mit Bewohnern des Wolfsgebiets. Pferdehalter, Naturschützer, Schäfer und viele mehr erzählen von ihren Sorgen, Ahnungen und Veränderungen in der Region. Und vielleicht geht es ja nicht nur um den Wolf.
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Frans de Waard | VITAL WEEKLY
As far as I know, as of writing, the review of ‚Of Wolves and People‘, an LP by Melissa Pons and Nils Mosh, is not yet officially available, and therefore no information online (and none along with the record). I couldn’t say if this LP is a collaborative or split one. I strongly suspect the latter, as the cover lists on one side Nils Mosh and ‚GW954f‘ as a title, and the other, ‚Lament Of The Wolf‘ and Melissa Pons. That does mean Pons is about wolves, and Mosh is about people. On the first side, there is something about wolves, mainly through spoken word, in German. In a documentary style, people talk about wolves, along with sounds from nature, at one point, reminding me of cicadas. It all eludes me to some extent. As I write above, my knowledge of the German language is to the extent that I understand what it is about. Still, as with so many of these things, I don’t care much for spoken words/documentary/interview style, not even when the other sounds are pretty interesting. Give me the information on an insert, and let the sounds speak for themselves. In that respect, I much enjoyed the other side: no spoken word but sounds from wildlife and music. The musical side comes via samples of instruments and is a fine bunch of atmospheric melodies. If the other side is the documentary, then this is the uncut soundtrack, not peppered with spoken word. Combined with field recordings and animal sounds, this makes a pretty interesting piece of music. Maybe the whole concept behind the piece kind of eludes me, but in terms of music, I think this is an excellent piece of music.
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Rigobert Dittmann | Bad Alchemy Magazin (120)
NILS MOSH ist ein professioneller Sounddesigner, mit einem Spielbein als Fieldrecorder und Geräuschesammler und als solcher auch ein Reiseführer durch Essen (Sound of Essen). Zur Sound Art Series von Gruenrekorder steuert er GW954f (Gruen 214, LP) bei, gepresst auf recyceltem Eco-Wax-Vinyl von Matter Of Fact in Guestrow. Im Split mit Lament of the wolf von MELISSA PONS, einer portugiesischen Waldläuferin, die mit dem Mikrophon im brasilianischen Atlantikwald oder in Schweden unterwegs gewesen ist, aber auch ‚daheim‘ in Picão, wo der Iberische Wolf geschützt wird. Und damit dessen klagen- des Geheul, das dem Walgesang ähnelt und an Melancholie noch übertrifft. Pons unter- streicht das mit Glockenschlägen. Und suggeriert eine bedrohliche Atmosphäre durch erregten Streicherklang, Schüsse und Hundegebell. Der Wolfschor erhebt die Simme, als wären die ‚Kinder der Nacht‘ verdammte Seelen, die für alte Rituale als Chor singen müssen. Zu Musik mit diskantem Piano, gezupften Klängen, vor allem aber bebenden und zagen Strings, hingebreitet unter rauschen Baumkronen. Mit spektakulären Lauten aus den pelzigen Schnauzen, halb bellendes Vibrato, halb herzzerreißendes Legato. Nur die Grillen haben dafür weder Herz noch Ohr, sie zelebrieren ein noch viel älteres Ritual. Mosh teilt das Wolfsthema, hörspielartig, mit Pro-und-Kontra-Stimmen. Mit einerseits einem idyllischem Naturbild mit Vögelchen und Schäfchen, Kuckucksruf und Frosch- gequake, das sich bedroht sieht durch das Naturbild ‚grüner‘ Städter, das wilde Kinder- und Ponyfresser ins Land lässt. Mosh inszeniert dazu ein Klanggewirr aus Volieren- vogelstimmen, Schlachtviehlauten, Hundegebell und Wolfsgesang. Parkplatz statt Vor- garten? Kunstrasen statt Gras? Pelletts statt Wald? Schmusekatzen statt Problembären? Hat nur das als volksnahe Natur Zukunft?
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