Reviews | By Rigobert Dittmann / Bad Alchemy Magazin (109)
Resonant Dowland | Matthias Engelke
Ach, semper Dowland, semper dolens. MATTHIAS ENGELKE, manchen vielleicht bekannt als Hauskomponist der Choreographin Irina Pauls, vergegenwärtigt auf Resonant Dowland (Gruen 197 w/Booklet) den elisabethanischen Lautenisten und Songwriter John Dowland auf gleich mehreren Ebenen: Bildlich mit der Fotoserie ‚Licht/Light‘ von Gustav Franz, textlich mit dem Essay ‚Palimpsest‘ von Christian Lemmerich und den von Sadness, Sweetness, Darkness erfüllten Lyrics der einst in London oder für den King of Denmark angestimmten Songs, die, anders als ich sie etwa durch Deller Consort kenne, nun ‚for Tenor and Electronics‘ erklingen. Was immer tiefer in der Zeit versinkt und als Geschichte verkrustet, zoomt Engelke heran, ungeachtet dessen, dass von Love, Pleasure und Melancholia, wie sie die Lovers & Ladies um 1600 bewegten, nur der schöne Schall nachhallt, ob in ‚historisch informiertem‘ Retro als Countertenor-Kitzel, ob in der Aboutness Benjamin Brittens oder Stings. []

 

Stadt (Land Fluss)“ | Daniel Kötter & Hannes Seidl
Allein hat der Filme- & Musiktheatermacher DANIEL KÖTTER das Mittelmeer KATALOisiert (2013), für ‚Hashti Tehran‘, ‚Desert View‘ & ‚Rift Finfinnee‘ (2017-20) hat er die Kamera auf Teheran, Cairo und Addis Abeba gerichtet. Zusammen mit dem Komponisten HANNES SEIDL realisierte er den Multi-Channel-Triptychon ‚Arbeit und Freizeit‘ (2009-11) und die musiktheatralische Trilogie ‚Falsche Arbeit, Falsche Freizeit‘, dessen dritter Part Stadt [Land Fluss] (Gruen 199 w/Booklet) nun mit dem Akzent auf Stadt als Hörspiel erklingt. Unter Einschluss von Sounds von Christina Kubisch und Musiken von Sebastian Berweck, Martin Lorenz und Andrea Neumann, zu eigenen Texten und Zitaten des neomarxistischen Humangeographen & Sozialtheoretikers David Harvey. Am Beispiel der Hafencity Hamburg wird nach der DNA einer Stadt gefragt: Who produces…, who reproduces the city? Die zahlungskräftige HafenCity-Klientel? Elphi-Touristen? Stadtentwicklung als Kopfgeburt am Reißbrett und auf dem Immobilienmarkt erweist sich als highly destructive für das Wesen von Urbanität. []

 

Circles and cycles | Kg Augenstern
KG AUGENSTERN? Das sind doch die mit den „Tentacles“ (Gruen 170) und der Flussfahrt mit ihrem MS Anuschka von Berlin nach Paris, auf der sie unterwegs mit ihren Tentakeln, ihren Fühlern, an sämlichen Brücken kratzten. Circles and Cycles (Gruen 202 w/Book) zeigt Christiane Prehn and Wolfgang Meyer auf einer anderen Mission: Archimedes, Kierkegaard, nein, Tentacles in Sicily – Scratching the Surface . Als doppelköpfiger Herakles lösten sie nicht zwölf, aber doch zehn Aufgaben und alle wieder nur mit ihren Tentakeln. Sie scratchten und kraulten 1. ‚a Lido‘ (die in den 60ern erbaute Feriensiedlung Lido Las Vegas), 2. ‚a Mountain Village‘ (das Bergdorf Cunziria, wo Gerberei betrieben wurde), 3. ‚a Commercial Area‘ (ein in den 90ern entstandenes Gewerbegebiet südlich von Catania), 4. ‚a Castle‘ (das 1930 errichtete Castello del Duca di Misterbianco), 5. ‚a Furniture Store‘ (das Ende der 70er eröffnete brutalistische Möbelhaus Sicilmobile) []