Reviews | By Rigobert Dittmann / Bad Alchemy Magazin (120)
Catorce reflexiones sobre el fin | Angélica Castelló
Catorce reflexiones sobre el fin (gruen 193, LP), diese ’14 Reflexionen über das Ende‘, spenden zugleich den von Guillaume de Ma- chaut ausgesprochenen Trost der Ouroboros- schlange: Mein Ende ist mein Anfang und mein Anfang ist mein Ende. Die mexikanische Kom- ponistin ANGÉLICA CASTELLÓ, letztes Jahr 50 geworden, hat seit ihrem elektroakusti- schen Solo-Debut „Bestiario“ (2011) das In- teresse an ihr wachgehalten im Spiel mit Burkhard Stangl, Billy Roisz, Jérôme Noe- tinger oder dem Quintett Zimt und Veröffent- lichungen auf Interstellar und Mikroton. Ihr Instrumentarium sind die Paetzold-Bassflöte, Tape, Radio und Electronics, ihr komposito- risches Spektrum umfasst aber auch das vom Ictus Ensemble aufgeführte „Tres Texturas Arácnidas“ (2021) for electric guitar, viola da gamba, recorder, percussion sets, cassette player and electronic sounds, „Star Washers“ (2021) für Orchestra und Electronics, aufge- führt vom Baltimore Symphony Orchestra, oder das Musiktheater „Red Rooms“ (2022), dargeboten vom Ensemble PHACE und Wien Modern. []

 

Befreit die Maschinen | Hannes Seidl
Mit „Stadt Land Fluss“ war HANNES SEIDL bereits auf Gruenrekorder. Als freier Kompo- nist – „We Can Be Heroes“, „Six Pieces to guide you through the Night“, „21 Songs in a Public Surrounding“ – und Musiktheatermacher – „LIEBE“, „ingolf“, „Die Flexibilität der Fische“ – in Frankfurt hat er da ja auch einen kurzen Draht. Ebenso zum Hessischen Rundfunk/hr2-kultur, mit etwa „Das Wetter in Offenbach“, „Good Morning Deutschland“, „selbstLAUT“. Oder Befreit die Maschinen (Gruen 211), als Radiostück, das um die Forde- rung des Philosophen Michael Hirsch kreist: „weniger Arbeiten, damit alle arbeiten und besser leben können“. Hirsch denkt über die Überwindung der Arbeitsgesellschaft nach, darüber, wie sich Arbeitszeit vermindern, Lohn und Arbeit entkoppeln, Reichtümer ver- teilen lassen. Seidl verschiebt den Fokus von virtuosem Selbermachen zu einem ’nach- denkenden Zuhören‘ und praktiziert das, indem er aus computerklanglichen Vorschlägen auswählt. []

 

Of Wolves and People | Melissa Pons & Nils Mosh
NILS MOSH ist ein professioneller Sounddesigner, mit einem Spielbein als Fieldrecorder und Geräuschesammler und als solcher auch ein Reiseführer durch Essen (Sound of Essen). Zur Sound Art Series von Gruenrekorder steuert er GW954f (Gruen 214, LP) bei, gepresst auf recyceltem Eco-Wax-Vinyl von Matter Of Fact in Guestrow. Im Split mit Lament of the wolf von MELISSA PONS, einer portugiesischen Waldläuferin, die mit dem Mikrophon im brasilianischen Atlantikwald oder in Schweden unterwegs gewesen ist, aber auch ‚daheim‘ in Picão, wo der Iberische Wolf geschützt wird. Und damit dessen klagen- des Geheul, das dem Walgesang ähnelt und an Melancholie noch übertrifft. Pons unter- streicht das mit Glockenschlägen. Und suggeriert eine bedrohliche Atmosphäre durch erregten Streicherklang, Schüsse und Hundegebell. []